Hineingeschaut

Hineingeschaut - Die Volksmissionen

Volksmission 11. September 1954 Salvator Lichtenrade - Foto: Archiv SMMP Bestwig

Als ich vor einigen Jahren aus dem Archiv der Schwestern der Heiligen Maria Magdalena Postel Innenaufnahmen unserer Salvatorkirche erhielt, wunderte ich mich über ein Foto, das den Altarraum mit einem Marienstandbild hinter dem Altar zeigt und die Unterschrift „hl. Mission Sept. 1954“ trägt. Das Marienbild kannte ich von Aufnahmen von frühen Fronleichnamsprozessionen, doch was hatte es mit der „Mission“ auf sich? Was war das überhaupt? Als ich zur Erstkommunion ging, begann zwei Jahre danach das 2. Vatikanische Konzil und Missionen fingen an, aus der Mode zu kommen.

Die (Volks)Mission geht in ihren Anfängen auf das Konzil von Trient (1540) zurück. Predigten, Bibelauslegung, Katechismuslehre und Angebote besonderer Andachten, sowie der Empfang der Sakramente sollten zur Erneuerung und Vertiefung des Glaubens in den Gemeinden beitragen. In Deutschland waren zunächst die Jesuiten die Träger der Volksmission. Spätestens seit etwa 1617 erhielten die Veranstaltungen einen festen Ablauf mit Predigten am Morgen und Abend, Erklärung der Gebote und Sakramente, Vorträgen und Bußübungen. Sie endeten mit der Beichte und dem Kommunionempfang. Die Dauer war unterschiedlich: 10 Tage, 12 – 14 Tage, teilweise auch länger. Meist wurden die Missionen nach Geschlechtern getrennt gehalten, später dann nur noch nach Kindern und Erwachsenen. Schon ab dem 16. Jahrhundert hatten auch andere Orden sich der Mission verschrieben: Kapuziner, Redemptoristen, Lazaristen, Franziskaner, Oblaten, Pallottiner. 1912 hatte sich eine sogenannte „Missionskonferenz“ aus Vertretern verschiedener Missionsorden, lange Jahre unter der Leitung von Pater Max Kassiepe (1867 – 1948) von den Hünfelder Oblaten, zusammengefunden, um über die Ausführung und Erfolge der Missionen zu beraten.

Es gab stadtweite Missionen, wie etwa die 1926 von Weihbischof Deitmer initiierte „Berliner Ostermission“ in 44 Kirchen der Stadt oder die Volksmission von 1933 in 90 Seelsorgebezirken. Aber auch der Ortspfarrer konnte Missionare in seine Gemeinde rufen, die dann für eine Zeit das religiöse Leben bestimmten.

In Salvator lassen sich zwei Missionen, 1954 und 1970, eindeutig nachweisen. Nach den Angaben in der Schwesternchronik muss es allerdings zwischen der Benediktion am 5. Februar 1933 und September 1954 bereits eine erste Volksmission gegeben haben. Es könnte sein, dass die Gemeinde an der durch den Oblaten-Pater Kassiepe organisierten und von Bischof Dr. Christian Schreiber für die ganze Stadt angeordneten oben erwähnten Volksmission vom 1. bis 20. März 1933 teilgenommen hat. Bisher lässt sich das jedoch aufgrund der schlechten Quellenlage nicht eindeutig nachweisen. Nicht ganz ausgeschlossen werden kann auch, dass sich der Hinweis auf eine Religiöse Woche „Königtum Christi heute“ vom 19. bis 26. Oktober 1947 mit Predigten des Dominikanerpaters Bonifatius [wer das war, ist bisher nicht geklärt] aus Moabit bezieht, die im Aufbau den Volksmissionen sehr ähnelte.

Mehr wissen wir über die Volksmission vom 28. August bis 12. September 1954. In der Sitzung des Kirchenvorstandes vom 3. Mai 1954 machte Pfarrer Lütkehaus die Planung bekannt. Gehalten wurde sie von Pallottinern: Pater Arnold Fischer (4.4.1926 – 21.1.2013), ein damals junger Kaplan, der später nach Kapstadt und Queenstown in Südafrika ging und dafür bekannt wurde, dass er das erste Wörterbuch der Xhosa-Sprache (English Xhosa dictionary, 1985, OUP) verfasste. Pater Bernard Ledig (20.8.1906 – 25.11.1982), mit ihm in Salvator, war später lange Jahre als Pfarrer in Plön tätig. Man begann am Samstagnachmittag mit der Kindermission, eröffnete danach die Erwachsenen Mission, die man am Abend noch einmal wiederholte (Samstag war damals noch Arbeitstag). So hielt man es auch an den folgenden Tagen: sonntags 3 Hl. Messen, 1 Kindermesse jeweils mit Predigt, nachmittags Predigt, die abends wiederholt wurde. Wochentags 3 Hl. Messen und Kindermesse mit „Morgenpredigt“, nachmittags Erwachsenenpredigt mit Wiederholung am Abend. Dazu gab es in der ersten Woche noch eine Toten- und Gefallenen Gedenkfeier, in der zweiten eine eucharistische Sühnefeier, einen Krankentag, am Samstag Marienfeier und Erneuerung der Marienweihe. Die Standespredigten wurden zusätzlich gehalten. Jeden Nachmittag der 2. Woche gab es Beichtgelegenheit, Kranke konnten die Patres nach Hause einladen. Für Kleinkinder, die zuhause unversorgt waren, wurde eine Beaufsichtigung während der Predigten angeboten.

Auch von der „Mission `70“ gibt es den Plan im Archiv. Sie wurde vom 8. bis 22. März 1970 von Oblatenpatres aus Saarbrücken gehalten. Hier ist sogar das Programm im Einzelnen bekannt: Die Tage standen jeweils unter einem Thema, z. B. „Heillose oder heilsame Unruhe in der Kirche?“ – u.a. mit der Frage „Ist Demokratie in der Kirche möglich?“ oder ein Gesprächsabend „Jugend – Unruhestifter unserer Zeit?“. Die Kaffeerunde der Frauen bewegte das Thema „Soll die Frau in der Kirche schweigen?“, auch fragte man sich „Wie sieht die Kirche der Zukunft aus?“ Diese modern anmutenden und wohl deutlich vom 2. Vatikanischen Konzil geprägten Themen wurden von Pater Hermann Lembeck (16.12.1918 – 23.12.1997) mit der Gemeinde erörtert. Pater Lembeck wurde 1987 mit einem Buch über das Leben des „Fliegenden Paters“ Paul Schulte, den Gründer der Missions-Verkehrs-Arbeitsgemeinschaft, die Missionare mit Flugzeugen und Autos versorgte, sehr bekannt. Mit ihm war Pater Johannes Effern (25.11.1930 – 11.2.2021) in Lichtenrade. Nach Kaplansjahren in München und Mainz, war er lange in Kronach, später auch Superior der Oblatenklöster in München und bei Ulm.

Nach 1970 gab es dann keine Missionen mehr, was allerdings nicht bedeutete, dass es keine besonderen Predigtreihen mehr gab, man denke nur an die früher üblichen Fastenpredigten.

Bis zum nächsten „Hineingeschaut“,

Ihre/Eure Regina Mahlke, Chronistin