Am letzten Sonntag haben wir im Dankgottesdienst für die nun vollendeten Renovierungsarbeiten in unserer Kirche auch erwähnt, dass unsere Orgel vor 5 Jahren generalsaniert wurde. Viele Gemeindemitglieder werden sich noch erinnern, wie wir vom Ende Januar 2018 bis zum Osterfest auf ihren Klang verzichten mussten und dass durch die großartige Orgelpfeifen-Patenschaften-Aktion unserer Organistin ca. 45 % der Kosten durch Spenden refinanziert wurden.
Aber wir haben noch mehr Gründe, die Orgel zu feiern: Gestern, am 20. November, hatte sie 40. Geburtstag, jedoch nur in der um das Rückpositiv erweiterten Form, in der wir sie heute kennen. Die Orgel selbst ist bereits am 6. Oktober 1963, also vor 60 Jahren, geweiht worden. Sie ist eines der vier in Berlin in katholischen Kirchen vorhandenen Werke der Orgelbaufirma Romanus Seifert & Sohn, Kevelaer, wie man der Übersicht über „Alle Pfeifenorgeln in den Katholischen Kirchengemeinden des Erzbistums Berlin (Stadt)“ auf der Homepage des Erzbischöflichen Ordinariats entnehmen kann. Den Ausschlag für die Wahl der Firma gab hauptsächlich die für St. Matthias gebaute 4manualige Orgel mit ihren 77 Registern, die gerade vollendet worden war, als erste Überlegungen für einen Orgelbau in Lichtenrade begannen. Man entschied sich zunächst, auch aus Kostengründen, für ein 2manualiges Instrument (plus Pedal, 23 klingende Register, 1690 Pfeifen). 1983 wurde es – nicht zuletzt ermöglicht durch eine großzügige Spende – um ein Rückpositiv und einige Register erweitert (33 klingende Register, 1744 Pfeifen – Anm.: Die abweichende Registerzahl 42 auf unserer Homepage ergibt sich daraus, dass dort nicht nur die klingenden Register gezählt wurden).
Hier soll aber nicht die Geschichte unserer Orgel in ihren Einzelheiten dargestellt – dazu gibt es die Orgelseite als Teil unserer Kirchenführung auf der Homepage – sondern ein Blick auf die beiden Feiern und auf Orgelweihen allgemein geworfen werden.
Orgelweihen – eigentlich sind es Segnungen – finden schon seit Einführung des Instruments zur musikalischen Gestaltung von Gottesdiensten statt. Standen lange Zeit in evangelischen Kirchen bei solchen Gelegenheiten die Predigten im Vordergrund – zwischen 1600 und 1800 wurden „Orgelpredigten“ sogar vermehrt gedruckt – kannte man diese in der katholischen Liturgie fast gar nicht. Erst im Rituale Romanum von 1872 wird eine besondere Feier zur Einweihung von Orgeln vorgesehen. Das Zweite Vatikanische Konzil stellte in seiner Liturgiekonstitution Sacrosanctum Concilium 1963 die Bedeutung der Orgel besonders heraus: Sie könne den Glanz der Zeremonien wunderbar steigern und dadurch die Herzen der Menschen zu Gott und zum Himmel emporheben. Entsprechend wird der Gott lobende Charakter bei den Segnungen besonders betont.
Wie die Segnungen 1963 und 1983 in Salvator konkret verlaufen sind, können wir nur teilweise rekonstruieren: Tondokumente oder Nachschriften von den Ansprachen liegen, soweit mir bekannt, nicht vor. Doch sind die Programmhefte erhalten.
1963 fand die Feier im Rahmen einer Andacht am Rosenkranzfest um 18:00 Uhr statt. Pfarrer Lütkehaus und Kuratus Wurm nahmen die Weihe vor. Das Gemeindelied „Komm, Schöpfer Geist“ eröffnete die Andacht vor der Ansprache und Segnung. Eingeleitet durch den 150. Psalm wurde das Segensgebet gesprochen, die Gemeinde dankte mit „Nun danket all“. Dann endlich spielte Etzel Gundlich, der damalige Kirchenmusiker, ein erstes Stück, Bachs Präludium g-moll, auf dem neuen Instrument. (Auf der Orgelseite ist eine Tonaufnahme von 1964 als Klangbeispiel zu hören.) Der Chor durfte bei dieser festlichen Gelegenheit nicht fehlen und sang die a-capella-Stücke Cantate Domino von Pitoni, Locus iste von Bruckner und zum Rosenkranzfest das Salve Regina von Franz Schubert, sowie das Tantum ergo. Um die Vielfalt der Darstellungsmöglichkeiten zu zeigen, spielte der Organist Werke von Pachelbel, Bruckner, César Franck und Joseph Ahrens, der die Disposition der Orgel entworfen hatte. Außerdem führte er nach dem Schlusslied die einzelnen Orgelregister vor: „Der Organist … brachte ein schwieriges Programm zum Vortrag, das erstmalig sein Können zeigte, besonders bei der fast künstlerischen Form der freien Improvisation.“ (Heiligenstädter Schulschwestern, Chronik, 1963, S. 8)
Anders verlief 1983 die Weihe der erweiterten Orgel. Pfarrer Kloss hatte schon im Pfarrblatt November in einem Soli Deo Gloria überschriebenen Aufsatz zum Hochamt am Christkönigsfest eingeladen: „danken wir Gott für das schöne Geschenk und benutzen wir es zu seiner Ehre, denn das meint die obige Überschrift „Soli deo gloria“ – Gott allein die Ehre“. Diesmal gab es auch im Programmheft eine Einführung, die das Instrument mit seinem Rückpositiv, dem 3. Manual und seinen neuen Registern, zum Beispiel der Oboe, erläuterte. Er zitierte darin einen Text „Das Haus der Musik: Nachdenken über die Orgel“ von Reinhard Raffalt (Musica Eterna, München, 1978, S. 191 – 202), der nicht nur die dienende Rolle einer Orgel bei der Begleitung des Gemeindegesanges hervorhebt, sondern das Instrument auch als tönendes Abbild von Gottes Schöpferkraft bezeichnet.
In dem von Pfarrer Kloss und Pfarrer (Kpl.) Lux zelebrierten Gottesdienst sang der Chor zum Gloria aus Haydns Schöpfung Die Himmel erzählen. Nach Evangelium und Predigt folgte die Segnung, begleitet vom Chor mit Soli Deo Gloria von Paul Kickstat, einem Kanon, dessen Text – uns vor allem bekannt von J. S. Bach, der seine Kompositionen damit signierte – nicht nur als Leitspruch über der Orgelweihe stand, sondern spätestens seit dieser Zeit auch das Motto unseres Chores bildet. Auch in diesem Gottesdienst fehlte Bruckners Locus iste nicht. Die Orgel wurde von Eckhard von Garnier, zu der Zeit Orgelsachverständiger des Bistums, der die Disposition in enger Zusammenarbeit mit unserer damaligen Kirchenmusikerin, Elisabeth Prietzel, erstellt hatte, gespielt und vorgestellt. Mozart und Reger gehörten zu seinem Programm. Frau Prietzel hatte die Orgel übrigens bereits am 5. November 1983 zum ersten Mal spielen können. Die beiden Intonateure hatten an diesem Tag die letzten Arbeiten beendet, was Pfarrer Kloss noch am selben Abend dem Inhaber der Orgelbaufirma voller Freude in einem Brief mitteilte. Der Aufbau incl. Generalsanierung hatte nach erfolgten Umbauten an der Brüstung der Orgelempore vom 12. September an, also fast 2 Monate, gedauert. 1963 beim Einbau der Orgel war man noch mit einem knappen Monat ausgekommen.
Bis zum nächsten „Hineingeschaut“,
Ihre/Eure Regina Mahlke, Chronistin