Vermissen Sie es auch – das Gloria in unseren Gottesdiensten? Noch müssen wir ein wenig warten, doch umso freudiger kann dann an Weihnachten in den „Hymnus angelicus“ eingestimmt werden. Aus Lukas 2,14 ist der Gesang „Gloria in excelsis Deo. Et in terra pax hominibus bonae voluntatis“ (Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens), angestimmt von einem „großen himmlischen Heer, das Gott lobte“ nachdem der Engel den Hirten die Geburt Christi verkündet hatte, schon früh in die liturgischen Bücher übernommen worden und gehört so zu den wenigen Hymnen aus frühchristlicher Zeit, die noch heute im Gebrauch sind. Bereits im 4. Jahrhundert wurde er ein Teil der Laudes, im 5. Jahrhundert unter Papst Leo dem Großen (um 400 – 461, Papst ca. 440 - 461) wurde er zunächst nur in der Weihnachtsmesse, danach auch an Sonntagen und Märtyrerfesten gesungen, allerdings nur in Papst- oder Bischofsmessen. Im 11. Jahrhundert wurde das Gloria allgemein übernommen und wird seitdem, außer in Buß- und Fastenzeiten, gebetet. Die älteste lateinische Fassung stammt aus dem 7. Jahrhundert und ist im Antiphonar von Bangor (Irland) zu finden. Über 50 mittelalterliche Choralmelodien sind erhalten. Von Anfang an stimmte der Zelebrant den Gesang an und die Gemeinde (bzw. der Chor) setzte dann fort. Seit der „Messe de Nostre Dame“ des Guillaume de Machaut (ca. 1364) ist das Gloria fester Bestandteil auch der mehrstimmigen Messvertonungen. Es gehört übrigens auch zu den frühesten ins Deutsche übersetzten Gebeten und wurde bereits im 9. Jahrhundert in der Landessprache gebräuchlich. Während und nach der Reformationszeit wurde der Text dann auch immer häufiger in Gemeindelieder umgeformt (z. B. „Allein Gott in der Höh‘ sei Ehr‘“, Nikolaus Decius 1523).
Doch nicht nur in Gebeten und Musik gibt es Hinweise auf den Gesang der Engel. Auch in der bildenden Kunst wurde das Motiv häufig verwendet und so gibt es neben vielen anderen Engeldarstellungen – als Beispiel sei hier nur auf einige verwiesen, die auch in unserer Kirche zu finden sind: Verkündigungsengel, in Salvator auf der Tabernakeltür; Anbetungsengel, bei uns rechts und links vom Tabernakel; oder Engel mit einer bestimmten Funktion, etwa als Träger des Rahmens der Marienikone am ehemaligen Marienaltar im Seitenschiff – auch die Darstellung als „Gloria-Engel“, der meist ein Spruchband mit der Aufschrift „Gloria in excelsis Deo“ hält. Am häufigsten findet man ihn als Skulptur oder auf Gemälden natürlich bei Krippen. Wir kennen ihn als Krippenfigur unserer Weihnachtskrippe.
Aber es gibt noch einen weiteren „Gloria-Engel“ in Salvator. Vielleicht haben Sie ihn noch gar nicht entdeckt, was nicht verwunderlich wäre, denn er hängt erst seit gut eineinhalb Jahren auf der Orgelempore neben dem Seitenfenster. Zuvor fristete er ein ziemlich verborgenes Dasein im Glockenturm über der Sakristei, bis ihn unsere Kirchenmusikerin aus dieser etwas misslichen (und staubanfälligen) Lage befreite. Doch wo kommt er eigentlich her und seit wann gibt es ihn in Salvator?
Um es gleich vorwegzunehmen: ich weiß es nicht und habe auch bislang keinen eindeutigen Hinweis im Archiv finden können. Der erste Gedanke, er hätte vor 1986 bei unserer alten venezianischen Krippe gehangen, lässt sich mangels eines entsprechenden Fotos nicht verifizieren. Dagegen spricht, dass es bei den alten Krippenfiguren noch einen Stoff-Engel gibt und ich glaube, als ich ihn jetzt wieder sah, mich auch vage an diesen zu erinnern.
Wir nahmen den Engel damals nach einer Chorprobe noch einmal von der Wand: Vielleicht hätte er ja eine Nummer oder einen Stempel des Herstellers, wie man es von den Marken auf Porzellan her kennt. Oder gar einen Inventarstempel von Salvator? Er hat eine Nummer, nur da das Material wohl eher bemalter Gips ist, ließ sich damit auch nichts klären. Im Inventarbuch ist er nicht verzeichnet.
Allerdings fiel mir vor kurzem in unserem Archiv ein Brief des Innenarchitekten der Salvatorkirche, Fritz Fuchsenberger, vom 16. Dezember 1942 an Pfarrer Lütkehaus in die Hände. Darin bedankt er sich für die Grüße des Pfarrers und ein ihm zugedachtes Geschenk, erwidert sie herzlich und schließt den Satz an „u. [ich] jage zwei Gloria Engel nach, das magere Ergebnis vom gestrigen Kripperlmarkt“. Ob unser Gloria-Engel also vielleicht einer davon ist? Es könnte gut sein, denn eine Krippe hatte Pfarrer Lütkehaus schon 1935 für Salvator kaufen wollen. Nachweisen lässt sich eine Krippe allerdings erst 1954. Möglicherweise hat man sich bis dahin ja zumindest mit einem Gloria-Engel ein wenig weihnachtliche Dekoration in die Kirche geholt.
Es scheint, als könnten wir das Rätsel um die Herkunft nicht mehr lösen. Aber wir können uns an dem Schmuck, der so gut in unsere Kirche passt, erfreuen – und wo wäre ein singender, Gott lobender Engel besser aufgehoben als im „Musikzimmer“ unserer Salvatorkirche, auf der Orgelempore? Schauen Sie doch an Weihnachten einmal nach ihm, wenn Sie beim Ertönen des Cymbelsterns zur Orgel blicken!
Mit diesem 50. Hineingeschaut verabschiede ich mich. Ob es ein endgültiger Abschied von dieser Reihe wird oder nur eine längere Pause, ist noch nicht entschieden. Insofern gibt es also dieses Mal kein „Bis zum nächsten Hineingeschaut“.
Ich wünsche Ihnen und Euch gesegnete Weihnachten, eine gnadenreiche und friedvolle Weihnachtszeit und Gottes reichen Segen für 2024!
Herzlichst,
Ihre/Eure Regina Mahlke, Chronistin