Hineingeschaut – Die Fußwaschung

Die Fußwaschung

Der Größte von euch soll euer Diener sein“ heißt es im heutigen Tagesevangelium (Mt 23,11). Dieser Satz erinnert mich stark an das „Der Sklave ist nicht größer als sein Herr“ aus dem Johannes-Evangelium (13,16), das im Zusammenhang mit der Fußwaschung steht, die am Gründonnerstag Teil der Feier vom letzten Abendmahl ist. Jesus, der Herr, macht sich zum Diener, verrichtet eine Arbeit, die im Orient als Zeichen der Gastfreundschaft üblich und verbreitet, aber i. d. R. Aufgabe der Sklaven war. Und er fordert seine Jünger – und uns – auf, es ihm gleich zu tun, einander zu dienen und zu lieben.

Seit dem 4. Jahrhundert ist die Fußwaschung in der Liturgie außerhalb Roms beim Taufritus gebräuchlich, danach in Klöstern, ab dem 12. Jahrhundert in der Gründonnerstagsliturgie nachweisbar. Das Missale Romanum von 1570 legte sie an das Ende der Messfeier. Lange Zeit war es Äbten, Bischöfen und dem Papst vorbehalten, sie zu vollziehen. Erst die Neuordnung der Liturgie der Karwoche, veröffentlicht am 16. 11. 1955, verlegte sie nach Evangelium und Homilie und hob die Beschränkung auf Bischofs- und Abteikirchen auf.

Beschrieben wird die Fußwaschung nur im Johannes-Evangelium. Die anderen Evangelisten schildern die Einsetzung des Abendmahles, die wiederum Johannes nicht erwähnt. Dadurch wird der enge Zusammenhang mit der Eucharistie deutlich: Die Fußwaschung wird bei Johannes gleichgesetzt mit dem Abendmahl. Das mag auch der Anlass für die Wahl dieses Motivs für ein Fenster in unserer Salvator-Kirche gewesen sein, das von der Sakristei in den Altarraum führt.

Es ist das älteste Kunstglasfenster unserer Kirche und wurde im September 1938 eingesetzt. Alle anderen Fenster waren zu dieser Zeit noch aus einfachem Fensterglas und stammten, wie auch die Fenster des Kinderkrankenhauses, von der Firma Vincenz Kwiet, die neben einer Buch- und Kunsthandlung auch eine Glaserei betrieb.

Der Entwurf dafür ist von dem Glas- und Mosaik-Künstler Egbert Lammers (1908 – 1996). Am 30. Juli 1908 in Berlin als Sohn des Staatssekretärs im Preußischen Kultusministerium, Aloys Lammers, geboren, hatte er nach erstem Malunterricht bei seiner Mutter, schon als 15jähriger Unterricht u.a. bei Willy Jaeckel. Doch studierte er nach dem Abitur zunächst Philosophie und Kunstgeschichte in Berlin, Tübingen und Bonn, wo er 1931 bei Paul Clemen mit einer Dissertation über den Berliner Maler Charles Hoguet (1821 – 1890) promoviert wurde. Einige Jahre als Lehrer an der privaten Kunst- und Modeschule des „Sturm“, die unter der Leitung von Richard Dillenz stand, folgten. Als diese von den Nationalsozialisten 1938 geschlossen wurde, wurde Lammers endgültig freischaffend tätig. Auf zahlreichen Reisen nach Italien und besonders nach Frankreich hatte er seine Studien vervollkommnet. Lag der Schwerpunkt seiner Arbeiten zunächst auf der Malerei, so kamen bald Aufträge für Mosaike (z. B. St. Adalbert in Mitte), ab 1934 dann für Glasmalerei hinzu. Am 28. 10.1935 heiratete Egbert Lammers in der Salvator-Kirche seine Großcousine und langjährige Verlobte Dr. Annelise Hans. Sie war 1929 nach Berlin gekommen, um ihr Studium zu beenden und ihre Ausbildung zur Kinderärztin abzuschließen. 1935 war sie am Kinderkrankenhaus in Lichtenrade tätig.

Da die ersten von Egbert Lammers für Berlin angefertigten Fenster – St. Joseph, Siemensstadt, St. Marien, Karlshorst und Herz Jesu, Charlottenburg – den 2. Weltkrieg nicht überstanden (Herz Jesu 1961 rekonstruiert), befindet sich in Salvator das älteste noch original erhaltene Kirchenfenster des Künstlers.

Lammers hatte für das ovale Fenster anfangs noch einen blau-roten Rand um die Darstellung der Fußwaschung vorgesehen, wie man auf den Entwürfen im Archiv der Firma Puhl & Wagner in der Berlinischen Galerie sehen kann. Später muss er sich dann zu der hellen Fassung entschlossen haben, zu der er in seinem eigenhändigen Werkkatalog schrieb:

Bemerkenswert der Rand in Glasschlifftechnik. Diese reizvolle Kombination konnte ich später kaum wieder anwenden.“ (Zitat aus: Susanne Gierczynski, Egbert Lammers. – Glasmaler zwischen Historismus und Moderne. – Berlin, 2005. S. 201)

Die Szene selbst wird, wie seit etwa Mitte des 11. Jahrhunderts üblich, mit einem knienden Jesus dargestellt. Eingraviert ist auch das Ankleidegebet des Priesters, denn das Fenster wurde in der Sakristei über dem Becken für die Handwaschung eingelassen. Hier verbinden sich also das „Ihr seid rein“ (Joh 13,10) aus der Fußwaschung mit dem „damit ich Dir rein dienen kann“ des seit dem 13. Jahrhundert üblichen (heute nicht mehr verpflichtenden) Gebets.

Auch bei diesem Fenster muss die Verbleiung instandgesetzt und der Holzrahmen neu angestrichen werden. Dazu wird es in den nächsten Wochen ausgebaut. Nach der Rückkehr aus der Werkstatt wird es dann neu an seinem Platz erstrahlen. Darauf freue ich mich.

 

Bis zum nächsten „Hineingeschaut“,

Ihre/Eure Regina Mahlke, Chronistin