„Im Laufe des Nachmittags traf das schönste Festgeschenk ein: 3 in Blei gefaßte bunte Glasfenster für das Schwesternoratorium“ heißt es zum 16. Juli 1948 in der Chronik der Heiligenstädter Schulschwestern vom Kinderkrankenhaus Lichtenrade. Dem Leser dieser nun schon 73 Jahre alten Zeilen dürfte sofort klar sein, dass es sich dabei um die Fenster im heutigen Meditationsraum handeln muss, hat die Salvatorkirche doch überwiegend einfarbige Fenster. Doch warum waren sie ein Festgeschenk, wer hatte sie geschaffen und warum waren sie nicht schon 1932 beim Bau der Kirche eingebaut worden?
Die letzte Frage lässt sich am leichtesten beantworten: Beim Bau der Kirche hatten die Gelder nicht gereicht und so verzichtete man auf besondere Fenster und begnügte sich mit einfachem Fensterglas.
Geschenk waren sie zum Ordensjubiläum von Mutter Bernarda vom Kreuz Münstermann. Sie war von September 1946 bis Mai 1950 Oberin des Kinderkrankenhauses, später von 1956 bis zu ihrem Tode 1971 Generaloberin des Ordens der Heiligenstädter Schulschwestern (seit 1968 SMMP). Am Gedenktag der Ordensgründerin, der Heiligen Maria Magdalena Postel, konnte sie auf ihre 25jährige Ordenszugehörigkeit zurückblicken.
Da man nach dem Kriege daran ging, die einfachen Glasfenster zu ersetzen, war die Idee entstanden, im oberen Schwesternchor, der als Oratorium diente, zu beginnen. Schon 1947 im Mai hatten Pfarrer Lütkehaus und Mutter Bernarda bei der Firma Puhl & Wagner das Glas für die Kirchenfenster ausgesucht. Dabei war auch die Künstlerin, die die Entwürfe dafür anfertigen sollte. Lange Zeit war aus der Schwesternchronik nur bekannt, dass es sich dabei um eine Halbschwester der Oberin mit Namen Sr. Ludgeris gehandelt haben soll, die bei den Steyler Missionsschwestern Zeichenlehrerin war. Durch Recherchen in den Ordensarchiven in Bestwig (SMMP) und in Steyl und Manila (SSpS) haben wir jetzt ein genaueres Bild der Schöpferin unserer Fenster. Ein ganz herzliches Dankeschön dafür an dieser Stelle an die Archivarinnen der beiden Orden!
Sr. Ludgeris wurde 1911 als Tochter der zweiten Frau des Amtsrentmeisters Bernhard Münstermann als Maria Rosing in Heek, Kreis Ahaus, geboren und war somit Stiefschwester der 1899 geborenen Elisabeth Münstermann (Sr. Bernarda). 1932 war sie in Steyl in den Orden eingetreten. Nach dem Kunststudium dort, arbeitete sie zunächst ab 1940 im St. Hildegard-Krankenhaus in Berlin, legte 1941 die ewigen Gelübde ab und verließ unsere Stadt im April 1948, um ihre Arbeit in Manila am Fine Arts Department des College of the Holy Spirit aufzunehmen. Dort lehrte sie bis 1970, unter anderem als Leiterin des Departments. Später lehrte sie Theologie und blieb bis zu ihrem Tode 1998 auf den Philippinen. Es gibt Hinweise, dass sie auch für ihren Orden immer wieder künstlerische Arbeiten angefertigt hat. Auch ein interessanter Aufsatz über die Rolle der bildenden Kunst im Steyler Orden, über die Verbindungen zu den Nazarenern, der Beuroner Schule, der Düsseldorfer Kunstakademie, aber auch den Expressionisten, den sie 1988 zum Jubiläum der Kunstschule schrieb, ist überliefert.
Für unsere Fenster wurden als Thema Eucharistie, Dreifaltigkeit und Taufe vorgegeben. Sr. Ludgeris wählte einfache Symbole (Hostie, Kelch, Trauben, Dreieck, Kreise, Christogramm, Brunnen und Wasser), die als farbige Bleiverglasungen ausgeführt wurden. Gerade diese Schlichtheit, finde ich, macht die Wirkung der Fenster aus. Allerdings konnte sie selbst das Ergebnis ihrer Arbeit nicht mehr sehen: ihre Abreise auf die Philippinen lag vor dem Jubiläum ihrer Schwester. Der Bitte von Mutter Bernarda, ihr Fotos von den Fenstern in Farbe zu schicken, kam Puhl & Wagner nach. Man ließ Fotos anfertigen, die vor Ort in Salvator koloriert und dann nach Manila geschickt wurden. Leider scheinen sie nicht erhalten geblieben zu sein, jedenfalls fand sich bis jetzt keine Spur davon.
Mir ist erst bei der näheren Beschäftigung mit den Meditationsraumfenstern bewusst geworden, dass jedes einzelne Fenster der Salvatorkirche tatsächlich ein Unikat darstellt, das nur und ausschließlich für unsere Kirche geschaffen wurde. Dass daran sich die Geschichte der Künstler knüpft, die, wie im Falle von Sr. Ludgeris, weit über Lichtenrade hinausgreifen kann und der Erbauer der Kirche, der Förderer und der Gemeinde, die damit ein unverwechselbares, einmaliges Gotteshaus errichten wollten.
Wie fast alle unsere Kirchenfenster, haben auch die von Sr. Ludgeris im Laufe der Jahre unter Wetter- und Umwelteinflüssen gelitten und müssen saniert werden. Ich freue mich darauf, wenn wir danach diesen Schatz wieder in seiner ursprünglichen Schönheit bewundern dürfen.
Bis zum nächsten „Hineingeschaut“,
Ihre/Eure Regina Mahlke, Chronistin