Im vergangenen Jahr wurde auf unserer Webseite in der Fastenzeit ein Kreuzweg zum Mitbeten eingestellt. Zu den einzelnen Stationen wurden Fotos des Kreuzweges von Hildegard Wiegel-Jahn auf der Seiten-Empore unserer Kirche gezeigt. Wird ein Kreuzweg in der Kirche gebetet, etwa am Freitagnachmittag, geschieht das allerdings im Hauptschiff an den Stationen von Otto Grassl (1891-1976). Dieser Kreuzweg ist der älteste in Salvator. Schon im März 1933, gleich nach der Benediktion der Kirche, hatte Pfarrer Grabe bei Bischof Schreiber angefragt, ob er in Lichtenrade in der Kirche und im Oratorium der Heiligenstädter Schulschwestern (heute Meditationsraum) Kreuzwege errichten dürfte. Die Genehmigung dafür wurde ihm am 26. März 1933 von Domvikar Steinmann erteilt. 10 Jahre vergingen allerdings noch, ehe es dann tatsächlich einen Kreuzweg in unserer Salvator-Kirche gab.
Seit 1731 ist die Errichtung von Kreuzwegen durch einen Erlass Papst Clemens XII. genau geregelt. Zwar gab es seit dem 9. Jahrhundert in ganz Europa, angeregt durch die Pilgerfahrten ins Heilige Land im Mittelalter, „Heilige Gräber“ und, besonders im 16. und 17. Jahrhundert, unzählige „Kreuzweg-Büchlein“ – Meditationsbücher, die den Leidensweg Jesu betrachteten – und schließlich auch erste Kreuzwege vornehmlich im Freien (Kalvarienberge, Kreuzberge). Vor allem die Franziskaner, denen 1312 die Sorge um die Heiligen Stätten in Jerusalem übertragen worden war, hatten sich für diese Andachtsform eingesetzt. Doch eine Regelung, etwa wie viele Stationen ein solcher Kreuzweg umfassen sollte, fehlte bis ins 18. Jahrhundert. Der italienische Franziskaner Leonhard von Porto Maurizio (1676-1751, 1887 heiliggesprochen), auf den auch der Kreuzweg im Kolosseum 1750 zurückgeht, erreichte schließlich beim Papst und der Ablass-Kongregation die allgemeine Anerkennung. Seither muss ein Kreuzweg 14 Stationen umfassen und wird nach der Fertigstellung offiziell geweiht und „kanonisch errichtet“.
Im Oktober/November 1940, so belegen entsprechende Briefe in unserem Archiv, gingen Pfarrer Lütkehaus und Architekt Fritz Fuchsenberger daran, einen Künstler für einen Kreuzweg in Salvator zu suchen. Man wollte etwas Besonderes, es sollte zur barocken Innenausstattung der Kirche passen und zugleich keine „Massenware“ sein, keiner „Schablone“ mit „theatralischer Darstellung“ (Fuchsenberger) folgen. Zunächst dachte man an Albert Burkart (1898-1982), der gerade einen Kreuzweg für „Maria, Königin des Friedens“ in München geschaffen hatte, was sich aber nicht realisieren ließ. Karl Wurm (1893-1951) bot sich an; man erkundigte sich auch, ob eventuell alte Kreuzwege, zum Beispiel aus Österreich, im Handel zu erwerben wären. Schließlich verhandelte man mit Otto Grassl, der schon die Kopie der „Madonna von der immerwährenden Hilfe“ für den Marienaltar gefertigt hatte und der in dieser Zeit mehrere Kreuzwege (Wörishofen, Heilbrunn, Lindau) schuf. Grassl fertigte Skizzen an – über den Verbleib ist mir noch nichts Näheres bekannt, 2019 tauchte eine davon kurzfristig im Kunsthandel auf – und legte sie Fritz Fuchsenberger und Pfarrer Lütkehaus im Oktober 1941 vor. Letzterer war sehr zufrieden und suchte auch schon mit Bischof von Preysing Rücksprache, der seine positive Meinung teilte. Er schrieb an den Künstler:
„Insbesondere freue ich mich, dass Sie in der Farbwirkung neue Wege gingen. Gegenüber den ersten Skizzen bin ich Ihrer Meinung, dass Sie in der Komposition dadurch größere Wirkungen erreichen können. Ihre Darstellungen haben in einem kleineren Kreise viel Anerkennung gefunden. Ich glaube schon, dass eine Beschränkung in der Personenzahl mit skizzenhafter Darstellung des äußeren Rahmens die rechte Wirkung sowohl bei einfach denkenden Menschen, wie bei anspruchsvolleren, erreichen wird.“ (Brief von L. an Grassl vom 13.10.1941)
Bis ins Detail wurden einzelne Stationen besprochen, wobei der Pfarrer und sein Architekt nicht unbedingt immer einer Meinung waren. Im Februar 1943 war es dann soweit: Der Kreuzweg war fertig und Pfarrer Lütkehaus konnte seine Errichtung beantragen. Am 7. März 1943 wurde sie von Pater Constantin Neumann (1893–1982) vom Kloster der Franziskaner in Pankow vorgenommen.
In unserer Kirchenführung finden Sie die einzelnen Stationen, die der Dachauer Künstler, der übrigens in diesem Jahr sowohl 130. Geburtstag (26.4.), als auch den 45. Todestag (22.11.) hat, für Lichtenrade schuf.
Bis zum nächsten „Hineingeschaut“,
Ihre/Eure Regina Mahlke, Chronistin