Hineingeschaut – Marmor?

Haben Sie sich schon einmal gefragt, wie das mit den beiden schwarzen Säulen hinter unserem Altar ist? Das ist Marmor – oder? Und beim Altar die großen Anbetungsengel auf den Voluten rechts und links – das ist Alabaster oder vielleicht doch eher Porzellan?

Um die Frage gleich zu beantworten: nein, die Säulen sind nicht aus Marmor und die Adorationsengel sind, mitsamt den Voluten, auf denen sie stehen, und dem Aufsatz mit dem Tabernakel aus Holz. Das wertvolle Material ist vorgetäuscht – ist Illusion, ist Schein.

„Sein & Schein“ war das Motto des diesjährigen Tages des offenen Denkmals am vorletzten Sonntag und die Abbildungen und Artikel, die man dazu sehen und lesen konnte, brachten mich auf die Idee zu diesem Hineingeschaut. Wir haben zwar in unserer neo-barocken Kirche mit ihrem Altar im Rokoko-Stil keine Deckenmalereien mit einem Ausblick in den offenen Himmel und auch keine aufgemalten Türen, die suggerieren, es gäbe noch Nebenräume, doch wurden für die Ausstattung Techniken verwendet, die die Illusion von anderem Material hervorrufen.

Marmor begann man als besonders kostbares Material schon früh durch billigere Baustoffe zu ersetzen. Im Barock wurde es regelrecht zur Mode, Marmor vorzutäuschen, indem man etwa für Säulen Stuck verwandte und entweder die Marmorierung durch Stuckmarmor (Scagliola) schuf – dabei werden mehrfach farbig geknetete Stuckschichten übereinander geklebt, abgezogen und schließlich geschliffen und poliert – oder sogenannten Stucco lustro herstellte, bei dem auf die Putzschicht dünne Lagen „Malstuck“ (Marmormehl und Weißkalk) aufgemalt werden. Auch wenn das Material dafür zunächst preiswerter war: die angewandte Technik wurde im Laufe der Zeit so verfeinert und erforderte von den Stukkatoren so viel Können, dass sie zu einer eigenen Kunst wurde. Mit der Folge, dass sich Stuckarbeiten verteuerten und aus der Mode kamen. Serienmäßige Herstellung war zwar möglich, lieferte aber längst nicht den Reichtum und die Vielfalt der individuell hergestellten Dekoration. Das Stuckhandwerk ist heute ein seltener Beruf und gute Stukkatoren sind nicht leicht zu finden.

In Salvator wurden die beiden Säulen und auch die Verzierungen an den Pilastern und der Decke von der Firma A. Ruzicka aus Hof hergestellt. Vielleicht hatten Verbindungen des aus Franken stammenden Architekten Fritz Fuchsenberger dazu geführt, dass sie ausgewählt wurde. Allerdings war das nicht für alle ortsansässigen Firmen eine Freude, glaubt man der Zeitschrift „Grundstein. Wochenblatt des deutschen Baugewerksbundes“ vom 7. Januar 1933, die mutmaßte, dass die Auswärtigen sich als Preisdrücker betätigten.

Wie roter Marmor erscheinen die beiden Voluten an der Konsole zum Tabernakel und der Tabernakel selbst. Hierbei handelt es sich jedoch um Holz, das kunstfertig marmoriert wurde. Bis 1968 war auch der Unterbau der Tabernakelanlage aus marmoriertem Holz. Dann erst wurde er durch echten Marmor ersetzt, so wie schon beim Erweiterungsbau 1956 die Mensa, der heutige Volksaltar, aus Marmor angefertigt worden war.

Die Tabernakelanlage und die Gottvater-Skulptur im Giebel des Chores wurden von dem Tauberfränkischen Bildhauer Thomas Buscher (1860 – 1937) geschaffen.

Waren in der Renaissance die Skulpturen oft ohne farbige Bemalung in ihrem originalen Material belassen worden, entsann man sich in Barock und Rokoko wieder der Fassmaler, die schon im Mittelalter die Figuren mit farblichen Fassungen versehen hatten. Nun ging man auch verstärkt daran, besondere Pracht durch Vergolden und Nachahmung von edlem Material wie etwa Alabaster darzustellen. Da für unsere Kirche die Barock- und Rokoko-Zeit für die Innenausstattung gewählt wurden, war es nur konsequent, dass auch Buscher für die Engel am Tabernakel weiße Fassung wählte und auch die Tabernakeltür, auf die er eine Darstellung der Verkündigung geschnitzt hatte, vergolden ließ.

So scheint also auch an der Ausstattung der Salvator-Kirche manches anders als es in Wirklichkeit ist – doch tut das der Wirkung Abbruch und schmälert den Wert? Zeugt es von weniger starkem Willen, mit den Kunstwerken Gott zu loben und die Gemeinde und Kirchenbesucher zu erfreuen? Ich finde nicht.

 

Bis zum nächsten „Hineingeschaut“,

Ihre/Eure Regina Mahlke, Chronistin