„Der Engel trat bei ihr ein und sagte: Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir. Sie erschrak über die Anrede und überlegte, was dieser Gruß zu bedeuten habe“ heißt es im Evangelium nach Lukas, das am heutigen Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria, volkstümlich bekannt unter dem Namen „Maria Empfängnis“, verlesen wird. Das Fest fand seinen Weg von Konstantinopel zuerst im 9. Jahrhundert nach Süditalien und Sizilien. Dann gelangte es nach England, von wo es sich, befördert u. a. durch Anselm (um 1033 – 1109), den Erzbischof von Canterbury, einen Benediktiner und bedeutenden Kirchenlehrer, bald in ganz Europa durchsetzte. Papst Sixtus IV. (1414 - 1484) machte es 1476 für die römische Kirche verbindlich. Mitte des 19. Jahrhunderts, 1854, erklärte Papst Pius IX. (1792 – 1878) schließlich die unbefleckte Empfängnis der Gottesmutter zum Dogma.
Schon früh fand die Verkündigungsszene Einzug in die darstellende Kunst. Erste Bilder gab es bereits um die Wende zum 5. Jahrhundert nach Christus. In der Regel wird der Engel Gabriel, Maria und die Taube des Heiligen Geistes gezeigt. Man brachte die Darstellungen stets an bedeutenden Teilen der Kirche an: an Triumphbögen, als Hauptaltarbild, aber auch an den Krümmen von Bischofsstäben und seit dem Mittelalter vermehrt an Tabernakeln oder Sakramentsnischen. Man verband den Augenblick der Zustimmung Mariens zu Gottes Plan mit der Inkarnation, so dass es bei vielen Marienleben-Darstellungen gar kein Bild von Christi Geburt gibt, sondern nur die Verkündigungsszene. Die Taube des Heiligen Geistes deutete auf die Taufe Jesu im Jordan. Dadurch ergab sich der Tabernakel mit der Aufbewahrung der Eucharistie (Transsubstantiation als Re-Inkarnation verstanden) als besonders geeigneter Ort für die Darstellung.
Oft wurde die Szene vor einen Hintergrund der Zeit gestellt und besonders seit dem Spätmittelalter spielte sich die Verkündigung immer mehr in einem zeitgenössischen Innenraum ab, eine Tendenz, die im Barock und Rokoko noch mehr zunahm.
Auch in Salvator gibt es am Tabernakel unseres Altars eine Darstellung der Verkündigung. Die vergoldete Tür zeigt die Jungfrau Maria in einem Zimmer mit Fenster, das von einer Gardine gerahmt wird. Auf ihrem Schoß liegt ein Buch. Dem erschrockenen Gesichtsausdruck nach zu urteilen, ist es ihr beim Erscheinen des Erzengels zugeklappt. Auch die Taube ist angedeutet. Ob Gabriel einen Botenstab trägt – häufig wird er mit diesem Attribut dargestellt – ist nicht ganz klar zu erkennen.
Geschnitzt wurde der Tabernakel, wie der ganze Altar, von dem 1860 in Gamburg a. d. Tauber geborenen Bildhauer Thomas Buscher. Er hatte ihn mit Gebhard Fugel (1863 – 1939), dem Schöpfer des Altarbildes, Architekt Fritz Fuchsenberger (1876 – 1945) und Prälat Theodor Grabe entworfen, wie aus einem Brief der Tochter Cäcilie Buscher in unserem Archiv von 1941 hervorgeht. Sie erwähnt das im Zusammenhang mit dem Verkauf von Werken aus dem Nachlass ihres Vaters.
Buscher, aus einer Bildhauerfamilie stammend, hat mehrere bedeutende Altäre, etwa in seinem Heimatort Gamburg, in Mannheim, München, Freising, Bamberg, Tauberbischofsheim geschaffen. Der Lehre in der Werkstatt seines Vaters waren Aufenthalte in Chicago bei seinem Bruder Sebastian, München und Italien gefolgt. Aber auch in Oberschlesien, Nordmähren, England, Stockholm und New York sind Werke von ihm zu finden. Mit dem Architekten Fritz Fuchsenberger war er befreundet. Durch seine Tätigkeit als Gründungsmitglied und Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Christliche Kunst war er u. a. mit Gebhard Fugel bekannt. Sein letztes Werk in Bad Königshofen konnte er nicht mehr vollenden: er starb 1937. Buscher war bekannt dafür, dass er vor allem barocke Kirchen so großartig ergänzen konnte, dass man seine Neuschöpfungen für Originale der barocken Meister hielt.
Bis zum nächsten „Hineingeschaut“!
Ihre/Eure Regina Mahlke, Chronistin